Mehrere Hundert Sexualstraftäter und Exhibitionisten sind in Tschechien kastriert worden. Das prangert der Bericht des Anti-Folter-Komitees des Europarats an. Darin fordert das Komittee die tschechische Regierung auf, der Praxis "unverzüglich ein Ende zu setzen". Den Betroffenen wurden über die Folgen der nicht rückgängig zu machenden Verstümmelung teilweise nicht aufgeklärt. Prag beharrt aber weiter auf der Praxis, auch wenn sich der neue tschechische Menschenrechtsminister gegen die Kastrationen stellt.
Von Christina Janssen, ARD-Hörfunkstudio Prag
Im vergangenen Frühjahr haben die Experten des Europarates Tschechien besucht, um Gefängnisse und psychiatrische Kliniken zu inspizieren. Jetzt liegt ihr Bericht vor – und die Ergebnisse sind alarmierend. Mehrere hundert Sexualstraftäter wurden in Tschechien in den letzten zehn Jahren kastriert – entweder durch eine medikamentöse Behandlung oder durch einen operativen Eingriff. Das Anti-Folter-Komitee des Europarates kritisiert diese Praxis als herabwürdigend. Die meisten Betroffenen seien über die Nebenwirkungen und Folgen des Eingriffs nicht aufgeklärt worden. Möglicherweise hätten viele der Behandlung nur unter Druck zugestimmt, zum Beispiel um einer langen Inhaftierung zu entgehen. Zudem würden in Tschechien nicht nur gewalttätige Sexualstraftäter dieser Behandlung unterzogen, sondern auch vergleichsweise harmlose, wie etwa Exhibitionisten.
Prag hält an Zwangskastration fest
Die tschechische Regierung, die derzeit den EU-Ratsvorsitz inne hat, weist die Vorwürfe zurück. Die Argumente der Experten des Anti-Folter-Komitees reichten nicht aus, um an der gängigen Praxis zu rütteln. Die Kastrationen würden nur mit schriftlicher Einwilligung der Betroffenen vorgenommen – und aufgrund der Empfehlung eines Psychiaters. So die offizielle Stellungnahme. Die tschechische Regierung will nur eines ändern: Anstelle eines einzigen Psychiaters soll künftig eine unabhängige Gutachterkommission die einzelnen Fälle beurteilen. Eine Abschaffung der Kastrationen ist aus Prager Sicht keine Option.
Der tschechische Premierminister Topolanek und seine Regierung will an der Zwangskastration von Sexualstraftätern festhalten.
Menschenrechtsminister stellt sich gegen Regierung
Anders sieht das allerdings der neue tschechische Minister für Menschenrechte, der ehemalige Dissident und Rock-Musiker Michael Kocab. Ein Sprecher seines Ministeriums sagte dem ARD-Hörfunkstudio, Kocab halte die Kastrationen für unannehmbar. Er wolle jetzt eine öffentliche Debatte darüber in Gang setzen, um diese Praxis zu beenden. Damit stellt sich der neue Minister gegen die offizielle Linie der Regierung.
Quelle:
http://www.tagesschau.de