Titel: Iris und der Türke Teil 1 Beitrag von: Rattenfang am Januar 26, 2010, 11:05:35 pm Der Türke
(Die Krankenschwester) (1) Wären die Straßen frei gewesen hätte Servet Orman die Strecke in weniger als fünfzehn Minuten zurückgelegt. Sein Wagen verfügte über fast vierhundert PS bei einer Höchstgeschwindigkeit von gut 290 km/h. Doch das alles nützte im abendlichen Stossverkehr recht wenig. Also ließ Servet nur den Motor tief brummen, als er sich hinter den aufleuchtenden Bremslichtern des Vordermannes ein paar Meter weiter schob. Er hatte seinen BMW vor ein paar Jahren um knapp dreitausend Euro gekauft. Der Preis war eigentlich zu hoch gewesen, denn das Fahrzeug war kaum mehr als ein gerade noch fahrtüchtiges Wrack gewesen. Doch mehr für einen E38 zu bezahlen war ihm damals noch nicht möglich gewesen. Jetzt – unzählige Mechanikerstunden später – und nachdem er bestimmt mehr als des Doppelte des Kaufpreises in den Wagen gesteckt hatte, war der 7er sein ganzer Stolz. Natürlich war er so aufgemotzt worden, wie es sich für Servets Generation gehörte. Alufelgen und Spoiler gehörten genauso dazu wie der obligate Chip für den Motor. Wieder ein paar Meter mehr! Servet trommelte mit den Fingern nervös am Sportlenkrad. Er hatte allen Grund dazu es verdammt eilig zu haben und verfluchte die Lässigkeit, die ihn immer auf die letzte Sekunde losfahren ließ. Sein Blick traf auf den braunen Briefumschlag, der unscheinbar auf dem Beifahrersitz lag. Der Büyük Amca hatte ihm aufgetragen dieses Kuvert bis spätestens 17.00 Uhr zu übergeben und jetzt waren nur mehr zwölf Minuten bis dahin. Servet wusste, das es nichts Gutes bedeuten würde den Auftrag auch nur eine Minuten später zu erlegen. Wenn der Alte sagte: 17.00 Uhr“, dann meinte er damit auch keine Sekunde später! Die Ampel am Anfang der Kolonne schaltete endlich wieder auf Grün und mühsam setzte sich der Fahrzeugtross in Bewegung. Servet überlegte fieberhaft nach einer alternativen Strecke, die ihm das Warten vielleicht ersparen konnte, kam aber zu dem Schluss, dass jeder andere Weg zum Spital nur noch länger dauern würde. Er schaffte es gerade noch die Kreuzung zu überqueren und beschleunigte den BMW hoch, obwohl er hundert Meter vor sich schon wieder Bremslichter aufflackern sah. Aber das Gefühl der Geschwindigkeit – wenn auch nur für Augenblicke – hatte etwas Beruhigendes an sich. Servet arbeitete seit über einem Jahr für den Büyük Amca. Nichts großartiges, kleine Gelegenheitsjobs und Botengänge, die aber genug Geld einbrachten um sich über Wasser halten zu können. Der Name bedeutete „großer Onkel“, doch so harmlos das auch klang, Servet wusste, dass der alte Mann die Macht besaß, ihm einfach den Schädel einschlagen zu lassen wenn er wütend war und obwohl er mit Sicherheit einen Narren an ihm gefressen hatte, wollte Servet es nicht darauf anlegen. Er sah das grün umrandete Schild mit der Aufschrift „KRANKENHAUS“ und bog rechts ab. Die Reifen quietschten und der Umschlag rutschte auf dem schwarzen Lederbezug des Sitzes herum. Servet sah die Auffahrt zur Notaufnahme und suchte mit den Augen nach einem Parkplatz. Die Besuchszeit war in vollen Gang und sein insgeheimer Wunsch, nicht in die Parkgarage hinab zu müssen, blieb unerfüllt. Also wieder ein paar Minuten mehr! |