Titel: Jennas Weg, Teil 24 Beitrag von: Mandith am Juni 01, 2012, 12:40:14 pm Klammheimlich hatte sich Arnold von der Party verdrückt und war nachhause gefahren. Er hatte sich überhaupt nicht wohlgefühlt in der Gesellschaft der Frauen, und als das Thema spezieller geworden war, hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er hatte das Gefühl gehabt, deplatziert zu wirken zwischen den schönen Damen, als einziger Mann.
Und genau das war es gewesen, dass ihn sich unwohl hatte fühlen lassen. Dass er als Mann zwischen ihnen saß, während die Frauen über DAS zu reden begannen, und er schweigend hatte dabeisitzen müssen, immer in Angst, sich nicht zu verraten. Das musste aufhören. Er konnte einfach nicht mehr die Rolle des männlichen Liebhabers spielen. Er kam sich unglaubwürdig darin vor, und das machte ihn unglücklich. Er liebte seine Herrin über alles, und er liebte es, ihre Sklavin zu sein, und jeder sollte sehen, wie glücklich er dabei war. Und nun betrat Anna das Festgelände durch die Gartenpforte, um in ihrer wahren Identität mit den Menschen zu feiern, und ihnen zu zeigen, wie sehr sie ihre Herrin liebte. Ganz egal, was für Konsequenzen das für sie würde haben können. „Haben Sie eine Einladung?“, fragte die aufmerksame Lea, als sie die junge Frau bemerkte. Sie war sich sicher, dass sie die Dame den ganzen Abend noch nicht gesehen hatte, und nicht eingeladene Gäste wollte sie auf keinen Fall hineinlassen. Da passte sie auf wie ein Schießhund. „Aber sicher“, sagte Anna und holte die Einladung hervor, „ich war sogar Trauzeuge“. Lea sah sich die Einladung genau an. „Da steht aber Miss Carson und Mr. Summers drauf“, sagte sie. „So ist es“, sagte Anna, nahm Lea die Karte aus der Hand und ließ die völlig verdutzte Dame einfach stehen. Lea wollte ihr sofort nachlaufen, doch da stand die fremde Frau bereits bei Miss Carson, nahm sie an der Hand und ging mit ihr zum Tisch der Braut. „Bist Du wahnsinnig?“, zischte Jenna, als Anna sie hinter sich her zog, „was fällt Dir ein, hier so aufzutauchen. Das wirst Du bereuen. Lass mich sofort los und verschwinde hier wieder“. „Kommt nicht in Frage“, sagte Anna, „ich habe keine Lust mehr, mich zu verstecken und Christine immer wieder Lügen aufzutischen. Sie soll wissen, wie es um uns bestellt ist“. „Du bist verrückt“, schimpfte Jenna, „Du weißt nicht, was Du tust“. „Doch, das weiß ich“, sagte Anna, und da standen sie auch schon vor dem Brautpaar. Ashton schien regelrecht erfreut. „Hallo, Anna“, sagte er zum Erstaunen seiner Braut, „wie schön, dass Du doch noch gekommen bist“. Jenna wollte im Erdboden versinken, als Christine sagte: „Guten Abend junge Frau. Kennen wir uns?“. „Oh ja, Christine“, sagte Anna, „aber nicht so. Ich bin Anna, und ich bin stolz darauf, die Sklavin von Mistress Jenna zu sein“. Jenna stand wie angewurzelt da. Mira beobachtete die Szene amüsiert aus sicherer Entfernung. Oh, oh, dachte sie, das hat bestimmt noch ein Nachspiel. In Christines Gesicht zeigte sich ungläubiges Staunen, als sie die junge Frau eingehender betrachtete. „Arn…Anna?“, sagte sie verblüfft in Erkenntnis der Wahrheit, „was…ähm…herzlich Willkommen, meine Liebe. Ich freue mich, Dich kennenzulernen“. Dann nahm Christine Anna in den Arm und drückte sie ganz fest an sich. „Herzlich Willkommen, Anna“, wiederholte sie, „Du bist ein gutes Mädchen und so mutig. Du musst Deine Mistress wirklich sehr lieben“. „Ja, Christine“, schluchzte Anna, „das tue ich. Mehr als alles andere auf der Welt“. Sanft entließ Christine ihr Ziehkind aus der Umarmung und übergab Anna ihrer Herrin. „Sie sind zu beneiden“, sagte sie zu Jenna, „Sie haben den wertvollsten Menschen der Welt an Ihrer Seite“. „Ich weiß“, sagte Jenna, die sich wieder etwas gefangen hatte, „sie ist das Beste, was mir passieren konnte. Aber Sie sind auch eine großartige Frau. Ashton kann sich glücklich schätzen, Sie gefunden zu haben“. „Na, mit dem werde ich in den Flitterwochen noch ein Wörtchen zu reden haben“, sagte Christine und kniff ihrem Bräutigam in die Wange, „mir das so lange zu verheimlichen. Feiern Sie noch ein bisschen mit uns, es wird niemand etwas bemerken, da bin ich mir ganz sicher. Und heute haben wir ja allen Grund dafür, nicht wahr?“. „Es ist doch wunderbar gelaufen“, sagte Anna, als die vier Frauen am späten Abend zu den Autos gingen, „Niemand hat etwas bemerkt, und Christine hat sich gefreut“. „Das mag sein“, sagte Jenna, „aber Deine unangebrachte Eigensinnigkeit hätte auch ganz anders ausgehen können. Das kann ich nicht durchgehen lassen. Dafür werde ich Dich bestrafen müssen, und soviel ich weiß, hast Du die nächsten zwei Wochen frei. Du solltest Dir besser nichts vornehmen“. „Oh, oh, Anna“, sagte die leicht angeschickerte Tanya, „ich wünsch Dir einen schönen Urlaub“. Jenna ließ keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Worte entstehen. Kaum dass die beiden ins Auto gestiegen waren, machte sie Anna klar, dass eine Bestrafung unumgänglich war. „Es geht hier nicht darum, ob es gutgegangen ist“, sagte sie mit Nachdruck, „es geht um die Respekt- und Verantwortungslosigkeit, die Du Dir geleistet hast. Wie kannst Du es wagen, so etwas zu tun? Du musstest Dir doch im Klaren darüber sein, was das für mich für Konsequenzen hätte haben können“. „Aber ich wollte doch nur…“. „Halt den Mund“, fuhr Jenna ihre Sklavin an, „ich will kein Wort mehr von Dir hören. Wenn wir zuhause sind, wirst Du Dich augenblicklich in Deine Kammer begeben und ein langes Nachthemd anziehen, mit nichts darunter. Ich werde Dir zeigen, was es heißt, mich so bloßzustellen“. Beschämt senkte Anna den Blick und schwieg. Sie ahnte, was auf sie zukam, und sie hatte Angst davor. „Was glaubst Du, wird sie mit Anna machen?“, fragte Tanya. „Ich weiß es nicht genau“, erwiderte Mira, „aber ich glaube nicht, dass sie das durchgehen lässt. Wenn Du mich fragst, stehen Anna harte Tage bevor, da kennt Jenna nichts. Und das ist auch richtig so. Anna muss wissen, wo sie zu stehen hat“. „Aber sie wollte doch nur das Beste“, entgegnete Tanya, „und es ist doch auch nichts passiert“. „Nichts passiert?“, entrüstete sich Mira, „sag mal, merkst Du noch was? Anna ist eine 24/7-Sklavin. Stell Dir mal vor, so etwas passiert öfter. Was glaubst Du, wie lange das gutgeht? Nein, nein, Jenna kann gar nicht anders. Sie muss Anna bestrafen, und ich bin sicher, dass sie das richtige Mittel wählt“. „Und das wäre?“, wollte Tanya wissen, „fesseln oder verhauen? Ich glaube nicht, dass sie damit etwas erreicht“. „Ganz bestimmt nicht“, stimmte ihr Mira zu, „ich nehme an, Jenna wird eine ungleich schlimmere Strafe für Anna aussuchen“. „Da komm ich nicht mehr mit“, sagte Tanya kopfschüttelnd, „was könnte das denn sein?“. „Isolation und Verweigerung“, sagte Mira ruhig aber bestimmt, und Tanya lief ein Schauer über den Rücken. Zuhause angekommen, ging Anna sofort in ihre Kammer. Sie war zutiefst betrübt. In ihrer Naivität hatte sie doch tatsächlich geglaubt, die Herrin würde sie für ihren Mut belohnen. Stattdessen stand ihr jetzt eine Strafe bevor, deren Härte sich Anna gar nicht vorzustellen wagte. Bei näherer Betrachtung kam ihr das sogar gerecht vor. Sie hatte sich eigensinnig verhalten und ihre Bedürfnisse über die der Herrin gestellt. Ein schweres Vergehen. Wie hatte sie sich nur so gehenlassen können? Der Teufel musste Anna geritten haben. Mit bangem Herzen und doch voller Liebe und Verlangen wartete sie auf das Erscheinen der Göttin. Jenna war nach der Heimkehr direkt nach unten in den Keller gegangen und kramte nun suchend in der großen Spielzeugkiste herum. Es dauerte nur eine Minute, bis sie fündig wurde. Mit einer langen Kette, einer stählernen Fußfessel und zwei starken Vorhängeschlössern bewaffnet, verließ sie die Spielwiese und begab sich zur Kammer der Sklavin, öffnete die Tür und ließ sie weit aufstehen. Sie fand Anna in einem langen, hellblauen Nachthemd aus Seidensatin auf der Bettkannte sitzend. Demütig blickte die Sklavin zu Boden. „Steh auf“, befahl die Göttin, und Anna tat, wie ihr geheißen. „Deinen linken Fuß“, befahl Mistress Jenna, und Anna hob das Nachthemd ein wenig an, um der Herrin besagten Fuß entgegenzustrecken. „Du weißt, dass ich keine andere Wahl habe, nicht wahr?“, fragte Mistress Jenna, und Anna nickte stumm. „Ich habe Dich nicht gehört“, sagte die Herrin gnadenlos. „Ja, Herrin“, sagte Anna ängstlich, „Sie haben keine Wahl“. Jenna nahm Annas linken Fuß und schloss die silbern glänzende Fußfessel ums Gelenk. „So leid es mir tut“, sagte sie, „ich kann Dir das nicht durchgehen lassen. Dein Verhalten ist nicht zu entschuldigen“. Jenna nahm ein Ende der Kette und schloss es an den O-Ring der Fußfessel an. „Ich muss Dir eine Lektion erteilen, die Du nicht wieder vergisst“, fuhr sie fort, „andernfalls könnten Folgen entstehen, die nicht mehr kontrollierbar sind“. Die Herrin nahm das andere Ende der Kette und schloss es an die Gitterstäbe des Fensters. Anna musste schlucken. „Wenn ich das nicht täte, und ich Dir solche Dinge durchgehen ließe, hätte das fatale Auswirkungen auf unsere Beziehung“, sagte sie weiter, „und das wäre nicht wieder gutzumachen. Es könnte niemals wieder so werden, wie es bis jetzt war. Und das wollen wir doch beide nicht, oder?“. „Nein, Herrin“. „Siehst Du?“, sagte Mistress Jenna und strich ihrer Sklavin liebevoll übers Gesicht, „ich muss das tun, weil ich Dich liebe. Ist Dir dass klar?“. „Ja, Herrin“, sagte Anna leise, „ich liebe Sie doch auch“. Weinend fiel sie ihrer Herrin vor die Füße. „Bitte, Herrin“, flehte sie, „verzeihen Sie mir. Ich war ein böses Mädchen. Ich will alles tun, um es wieder gut zu machen“. „Ja, Du warst ein böses Mädchen“, sagte die Herrin milde, „und ich verzeihe Dir auch. Wenn Du Deine Strafe verbüßt hast“. Mistress Jenna ging zur Tür. „Du wirst die nächsten zwei Wochen hier in Deiner Kammer bleiben“, sagte sie. „Du wirst mich während der ganzen Zeit nicht zu Gesicht bekommen. Du wirst Tagebuch führen und jeden Gedanken in einer Word-Datei speichern. Die Kette ist lang genug, damit Du morgens zwischen 06.00 Uhr und 08.00 Uhr das Bad aufsuchen und die im Flur deponierte Nahrung an Dich nehmen kannst. Nimm diese Strafe auf Dich, wie es sich für eine Sklavin gehört, und ich werde Dir verzeihen. Leb wohl“. Dann trat die Herrin hinaus auf den Flur, und eine Sekunde später fiel die schwere Eichentür dumpf ins Schloss. Anna fiel auf ihr Bett und weinte bitterlich. Jenna lauschte einen Moment an der Tür, bevor sie sich in ihre Gemächer zurückzog. Doch kein Laut drang aus der hermetisch versiegelten Kammer. Ihr tat das Herz weh, und eine Sekunde lang bereute sie ihre Strenge, doch sie wusste sehr wohl, dass es keine Alternative gab. Milde, oder sogar Verzicht auf eine rigorose Bestrafung, würde ihre Beziehung schwer belasten. Viel mehr als diese Strafe. Es würde zu einer Verschiebung ihrer Rollen führen, und damit zum schleichenden Ende ihrer liebevollen Allianz. Mit blutendem Herzen ging Jenna in ihr Wohnzimmer. Sie hatte sich selbst eine schwere Strafe auferlegt. Wie sollte sie zwei Wochen ohne ihre geliebte Sklavin ertragen? Ihr liefen die Tränen übers Gesicht, als sie sich erschöpft auf ihr Sofa fallen ließ. Die Tage schlichen dahin. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Für Jenna nicht, und für die Sklavin erst recht nicht. Während die Herrin wenigstens Abwechslung bei der Arbeit und in der Villa fand, blieb Anna nichts als die Einsamkeit und das stetig wachsende, nicht zu stillende Verlangen, das sich mehr und mehr in ihr ausbreitete und entsetzliche Qualen in ihr hervorrief. Nach einer Woche glaubte Anna, sie würde vor Sehnsucht sterben müssen. So schlimm hatte sie es sich nicht vorgestellt. Sie konnte kaum noch schlafen. Immer wieder erwachte sie von dem drängenden Verlangen nach Erlösung. Tapfer stand sie dann auf, ließ den PC hochfahren und dokumentierte ihre Gefühle, ohne die unsagbare Qual wirklich in die richtigen Worte kleiden zu können. Verzweifelt versuchte sie immer wieder irgendwie Reibung zu erzeugen, um dem Sturm in ihrem Unterleib ein Ventil zu verschaffen, doch der KG der Meisterschmiedin ließ nichts zu, und Anna musste sich weiter den Qualen stellen, die nun auch massiv ihre Psyche angriffen. Anna drohte zu zerbrechen. Jenna stieg in ihren Wagen. Es war eine lange Nacht in der Villa gewesen. Mira und sie hatten Schwerstarbeit zu verrichten gehabt, um alle Gäste zu versorgen, und es waren einige schwere Fälle dabei gewesen. Zum Beispiel der gute Mr. Peterson, der gar nicht genug von der Peitsche bekommen konnte und danach auch noch Brustwarzen- und Hodenfolter verlangt hatte. Das war Miras Metier, und Jenna hatte sich drei Stunden lang alleine um den Rest der Bande kümmern müssen. Zum Glück war sie inzwischen so erfahren, dass sie alles unfallfrei über die Bühne bekam. Irgendwann war es geschafft, und anstatt, wie sonst üblich, noch etwas zu verweilen, hatte Jenna sich gleich von Mira verabschiedet und saß nun in ihrem Wagen. Eine seltsame Unruhe hatte sie ergriffen, und sie fuhr so schnell wie möglich nachhause. Sie hielt es nicht mehr aus. Sie musste Anna sehen. Sie musste sie spüren. Eine lange Woche war vergangen, seit sie ihre Sklavin an die Kette gelegt hatte, und nun war es genug. Auch wenn erst die Hälfte ihrer Strafe um war. Jenna musste wenigstens etwas tun, um Annas Leiden zu lindern. Und ihr eigenes. Denn auch das hatte sich inzwischen zur Qual ausgeweitet. Und Jenna wusste, dass nur Anna in der Lage sein würde, diese Qual zu beenden. Mit pochendem Herzen stieg sie aus dem Wagen, ließ ihre Sachen darin liegen und rannte zum Haus, durchs Foyer, die Stufen hinauf zur Kammer der Sklavin. Mit zittrigen Händen öffnete Jenna die Tür. „Anna? Anna!“. Erschrocken stürmte Jenna in die Kammer. Die Sklavin lag apathisch auf dem Bett und fantasierte. Sie registrierte das Erscheinen ihrer Herrin anscheinend gar nicht. Vier Flaschen Wasser und das Essen der letzten drei Tage standen unangetastet neben dem Bett. „Um Gottes Willen, Anna“, schrie die Herrin voller Entsetzen und schüttelte die Sklavin, „komm zu Dir“. Mit geschlossenen Augen brabbelte Anna wirres Zeug vor sich hin. Sie sah schrecklich aus. Das Make-Up war tränenverschmiert, ihre Lippen rissig, die Perücke hing schief auf dem Kopf und kalter Schweiß glänzte auf ihrer Stirn. Das zarte Nachthemd war durchtränkt von altem Urin und auch das Laken war in Mitleidenschaft gezogen. Wie in Trance rannte Jenna aus der Kammer, hinaus auf den Flur, durchquerte mit fliegenden Schritten das Wohnzimmer und den Flur zu ihrem Schlafzimmer, riss die Schublade aus dem Nachtschrank, breitete die Spielsachen auf dem Boden aus und suchte nach den Schlüsseln. Sie waren nicht da! Ein weiteres Mal wühlte sie in den vielen Teilen herum. Umsonst. Natürlich! Siedend heiß kam ihr die Erkenntnis. Die Schlösser, die sie an Anna angebracht hatte, waren aus der Truhe im Keller. Ungeachtet der entstandenen Unordnung stürzte sie aus dem Schlafzimmer. Ihr Herz klopfte, als wollte es zerspringen, als sie die Treppe hinabeilte und die steilen Stufen zum Keller erreichte. Panisch riss sie sich die High-Heels von den Füßen und schleuderte sie achtlos ins Foyer, bevor sie nach unten hetzte. Endlich stand Jenna vor der Truhe, öffnete sie mit fliegenden Händen und griff nach dem Schlüsselbund. „Herrin?“. War sie gekommen? Oder war es wieder nur ein Bild ihrer Fantasie gewesen? Hatte sie geträumt? Einen kurzen Moment lang kam es Anna so vor, als hätte sie von weiter Ferne die Stimme der Göttin vernommen. Krampfhaft versuchte sie, die flatternden Augenlider zu öffnen, doch es fehlte ihr die Kraft, die verklebten Dinger zu heben. „Anna“. Da war sie wieder, die Stimme aus einer anderen Welt. Näher diesmal. Lauter, deutlicher. Süß wie Honig. „Anna, Liebling“. Was für ein wunderbarer Traum. Anna hörte die Stimme ihrer geliebten Herrin, spürte ihre Hände auf ihr. Wie auf einer weichen Wolke flog die Sklavin dahin, als würde sie von Engelshänden getragen. Jenna ächzte unter der Last, doch es war ihr egal, wie schwer auch immer sie war. Immer wieder rief sie den Namen der Sklavin, während sie Anna in ihre Privaträume trug, hin zu ihrem Badezimmer. So behutsam wie möglich bettete sie Anna in der großen Wanne und ließ das Wasser einlaufen. „Komm, mein Liebling“, flüsterte sie unter Tränen, „komm zurück. Ich brauche Dich so sehr“. „Herrin?“. Gott sei Dank, sie spricht! „Ich bin bei Dir, mein Liebling“, sagte Jenna erleichtert und wusch ihrer Sklavin das Gesicht mit dem weichen Schwamm ab. „Sind…sind Sie da?“, fragte Anna stockend. Endlich gelang es ihr, die Augen zu öffnen. Verschwommen erkannte sie das liebliche Gesicht der Göttin über ihr schweben. Es war voller Tränen. Die Göttin weinte. Das durfte doch nicht sein. Wie konnte die Sklavin ihr das antun? Sie durfte doch die Göttin nicht zum Weinen bringen. „Ich bin da, Anna“, sagte diese zärtlich, „komm, trink einen Schluck. Ganz langsam“. „Es tut mir Leid“, sagte Anna zwischen zwei Schlucken, „ich habe Sie enttäuscht“. „Nein, Anna“, sagte die Herrin zärtlich, „Du kannst mich niemals enttäuschen. Ich bin es, die um Verzeihung bitten muss. Wie konnte ich Dir so etwas antun? Ich liebe Dich doch so sehr“. Annas Blick wurde langsam klarer. „Sie dürfen nicht weinen“, sagte sie, „nur weil ich nicht stark genug war“. „Unsinn“, sagte Jenna, „Du warst sehr stark. Immer warst Du das. Viel stärker als ein Mensch sein kann. Du bist ein Geschenk Gottes, und ich will Dich niemals wieder einer solchen Prüfung unterziehen müssen“. Langsam kam Anna wieder zu Kräften, und sie spürte den Hunger und die Entbehrung der letzten Tage. Und sie spürte noch etwas anderes. „Wo…wo ist…?“. „Der Keuschheitsgürtel?“, unterbrach sie Jenna, „er liegt in Deiner Kammer. Die nächsten Tage wirst Du ihn nicht gebrauchen, und Du wirst den Rest Deines Urlaubs auch nicht mehr in die Kammer zurück müssen. Ich werde mir ein paar Tage freinehmen und die Zeit mit Dir genießen. Das haben wir uns redlich verdient, und Du ganz besonders“. Glücklich schlang die Sklavin die Arme um den Hals der Göttin und zog sie zu sich in die Wanne. Vergessen waren Hunger, Durst und Entbehrung, als die Liebenden sich engumschlungen vereinten und in den alles verzehrenden Strom der Leidenschaft eintauchten, der alle Schmerzen davonspülte, während langsam das warme Wasser aus den vergoldeten Armaturen nachlief. Oh, mein Gott, dachte Jenna, als sie die Word-Dateien mit den Tagebucheinträgen durchlas. Anna lag im Bett der Herrin und schlief tief und fest. Letztlich hatte die Erschöpfung gesiegt, und die arme Sklavin hatte es gerade noch geschafft, sich abzutrocknen und ins Schlafzimmer zu schleppen, wo sie sofort ins Bett gefallen und eingeschlafen war. Wie musste sie gelitten haben, ohne den Kontakt zu ihrer Herrin? Die Worte der Sklavin brannten sich in Jennas Hirn. Nie wieder würde sie Anna so etwas antun wollen, was aber voraussetzte, dass es auch niemals wieder einen Grund dafür geben dürfte, und Jenna schwor sich, in Zukunft noch besser auf ihren Liebling aufzupassen und ihr klarzumachen, wo ihr Platz war. Das würde einer Menge beiderseitiger Disziplin bedürfen. Auf jeden Fall wollte sie nie wieder Sätze lesen müssen wie die letzten in Annas Tagebuch: „Die Göttin ist fort. Sie hat mich vergessen. Ich kann nicht leben ohne ihre Nähe, und ich will es auch nicht mehr. Gott schütze sie“. Jenna verließ die Kammer und begab sich in ihr Schlafzimmer. Es war schon Mittag, und sie war jetzt auch sehr müde. Eine Minute lang blieb sie vor dem Bett stehen und sah auf ihre friedlich schlafende Sklavin hinab, bevor sie sich zu ihr legte und sich dicht an sie kuschelte. „Ich liebe Dich, Anna“, flüsterte sie leise und strich ihr zärtlich übers Gesicht, „einmal um die ganze Welt. Und doch werden wir uns verlieren“. Dann schlief sie ein. Und sie schliefen noch viele Male nebeneinander ein, auch wenn die Kammer das Hauptdomizil der Sklavin blieb. Jenna ließ mehr und mehr Nähe zu, und es tat beiden gut. Die Tage vergingen, aus ihnen wurden Wochen, Monate, Jahre, und je weiter die Zeit fortschritt, umso mehr brauchte Jenna Annas Liebe. Sie gab ihr Stärke und Kraft für die unweigerlich herannahenden Ereignisse, von denen die Sklavin nichts ahnte. Anna war einfach nur glücklich. Arnold ging weiter seiner Beschäftigung in Christines Firma nach und stieg sogar zum Teamleiter auf. Christine hatte ihn niemals auf den Auftritt bei der Hochzeit angesprochen. Sie sah, wie glücklich ihr Junge war, und sie war zufrieden damit, nur zu gut kannte sie das Thema. Sie selbst hatte mit ihrem Ashton einen guten Weg gefunden, die verschiedenen Bedürfnisse zu teilen und zu genießen. Sie sah die Welt mit anderen Augen, seit sie Ashley kannte. In der Villa hatte sich auch einiges verändert. Mira hatte sich mehr und mehr zurückgezogen und fungierte nun als Organisatorin und Hausherrin, während Tanya inzwischen als Hauptakteurin tätig war und den Laden mit einer jungen Kollegin schmiss, die sie bei ihrem Job in der Stadt kennengelernt hatte. Jenna kam nur noch selten in die Villa, und wenn, dann meist nur, um Mira zu besuchen, oder sich von Tanya in die Geheimnisse der Seilfesselungen einweihen zu lassen. Viel lieber besuchte sie mit Anna ihre Mutter und Joe auf der Farm, die nach wie vor jungen Menschen ein reichhaltiges Freizeitvergnügen bot. Auch ihren neunundzwanzigsten Geburtstag feierte Jenna auf der Farm. In kleinem Kreise, nur mit Anna, Lucy, Joe und Mira. Joe hatte an diesem Tage nicht viel gesagt, und Jenna ahnte, was ihn bedrückte. Und so nahm sie ihn in einem unbeobachteten Moment beiseite und fragte ihn nach seinen Sorgen. „Ich weiß nicht, was Du meinst“, wich er aus. „Komm mir nicht so“, erwiderte Jenna, „ich weiß, dass Dich etwas bedrückt, und ich glaube zu wissen, was es ist“. „Wenn das so ist“, sagte Joe, „wieso fragst Du dann?“. „Weil es mich genauso viel angeht wie Dich“, sagte Jenna, „auch ich werde von Tag zu Tag nervöser“. „Ach ja?“, fragte Joe leicht genervt, das Thema behagte ihn gar nicht, „hast Du etwa auch Post bekommen?“. „Post?“, fragte Jenna und hob die Augenbrauen, „Du hast Post bekommen?“. „Allerdings“, bestätigte Joe, „und die macht mir Angst. Eine Scheißangst sogar. Der Mistkerl will sich mit mir treffen, wenn er rauskommt“. „Scheiße“, entfuhr es Jenna. Das passte gar nicht in ihren Plan. „Und wirst Du es zulassen?“, fragte sie. „Niemals“, entrüstete sich Joe, „ich will den Kerl nicht sehen, und wenn er tausendmal mein Vater sein sollte. Ich habe ihn einmal erlebt. Das hat gereicht. Aber ich fürchte, der wird sich nicht so leicht abwimmeln lassen. Das war jetzt schon sein fünfter Brief. Ich wünschte, der Mistkerl wäre tot“. „Hm“, sagte Jenna, „das fürchte ich auch. Immerhin weiß er ja, wo Du wohnst. Da könnte man direkt mit einem Besuch rechnen“. „Das fehlte noch“, sagte Joe entsetzt, „wenn der hier auftaucht, hol ich die Schrotflinte raus und schieß ihn über den Haufen“. „Das wirst Du schön sein lassen“, sagte Jenna warnend, „damit machst Du Dich nur unglücklich. Außerdem wird es nicht soweit kommen“. „Und wieso nicht?“, fragte Joe. „Mach Dir keine Sorgen“, sagte Jenna geheimnisvoll, „Mr. Milfort wird woanders hingehen, wenn er aus dem Knast kommt. Das verspreche ich Dir“. „Wie willst Du das erreichen?“, wollte Joe wissen, „der Kerl ist ein Monster. Den hält nichts auf“. „Abwarten“, sagte Jenna, „mach Dir mal keinen Kopf da drüber. Hat er geschrieben, wann er freikommt?“. „Am 1. August“, sagte Joe, „dann ist seine Zeit um“. „Hm“, sagte Jenna, „heute ist der 20. April. Also noch gut drei Monate. Ich hatte erst für Dezember damit gerechnet“. „Kommt aber hin“, meinte Joe, „wenn man die U-Haft mit einberechnet“. „Hey, Ihr beiden“, rief Lucy ihnen aus der Sitzecke zu, „was gibt´s denn da zu tuscheln? Kommt hier rüber. Jenna soll die Kerzen ausblasen“. „Ich komme schon“, antwortete Jenna und ging zum Tisch, auf dem die Geburtstagstorte stand. Sie beugte sich hinab und blies die Kerzen unter allgemeinem Jubel mit einem Zuge aus. „Bravo“, ertönte es aus den Kehlen der Anwesenden, „auf die nächsten neunundzwanzig Jahre“. „Danke“, sagte Jenna, „erst mal auf eines. Man weiß nie, was auf einen zukommt“. Kapitel 11 Zielgerade Nichts. Wieder nichts. Rein gar nichts. Der Bengel antwortete einfach nicht. Fünfmal hatte Harry ihm in diesem Jahr schon geschrieben, allein zweimal in diesem Monat. Mit jedem Brief war er höflicher und bittender geworden, hatte um eine Chance gebeten, etwas gutmachen zu können. Keine Antwort. Dabei war es doch der Junge gewesen, der Harry zuerst kontaktiert hatte. Doch ihr damaliges Zusammentreffen war ja leider völlig aus dem Ruder gelaufen, und Harry konnte durchaus verstehen, dass der Junge nichts mehr von ihm wissen wollte. Trotzdem saß er schon wieder über einem Brief an ihn. Was blieb ihm auch? Wenn ich in drei Monaten hier rauskomme, habe ich nichts, dachte Harry, außer ein bisschen Geld auf dem Konto. Wohnung futsch, die alten Kontakte abgerissen, kein Auto und keine Fahrerlaubnis. Die hatte man Harry auf Lebenszeit entzogen. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Neustart. Sieben Jahre hatte er auf seine Freilassung gewartet. Sieben elend lange Jahre. Und nun, wo seine Entlassung unmittelbar bevorstand, wusste Harry überhaupt nicht, was er mit seiner Freiheit anfangen würde. Irgendwie würde er Geld verdienen müssen, und ob er so einfach wieder ins Immobiliengeschäft würde einsteigen können, erschien ihm mehr als fraglich. Sieben Jahre weg vom Fenster war eine nicht zu unterschätzende Hürde. Er würde sich völlig neu orientieren müssen. Kein Selbstläufer für einen Mann seines Alters und mit der Vorgeschichte. Vor ein paar Tagen war Harry sechzig geworden. Zu jung, um sich aufs Altenteil zu setzen. Er hatte zwar bis zu jenem denkwürdigen Tag immer fleißig in seine Altersversorgung einbezahlt, doch die letzten sieben Jahre hatten auch dort ein nicht unerhebliches Loch hinterlassen, und sein kleines Vermögen würde auch nicht ewig reichen. Schon gar nicht bei seiner Vorliebe für Huren. Sex war überhaupt das gewesen, was er am meisten vermisst hatte, und Harry hatte sich geschworen, das in gebührendem Maße nachzuholen. Immerhin, etwas Gutes hatten die Jahre im Gefängnis dann doch noch bewirkt. Harry war schlank geworden, und er hatte sich im Laufe der Zeit einen richtig sportlichen Körper zugelegt. Wenigstens würde er nicht als fetter alter Sack in die Welt hinausgehen müssen. Na, es wird schon irgendwie weitergehen, dachte er sich. Wenn doch bloß der Junge mal antworten würde. Harry wurde ganz verrückt bei dem Gedanken daran, einen Sohn zu haben, von dem er Jahrzehnte nichts gewusst hatte. Es half nichts, er würde ihn suchen müssen. Ob er wohl noch die alte Adresse hatte? War er inzwischen verheiratet? Hatte Harry womöglich sogar schon Enkel? Lebte der Junge überhaupt noch? Harry würde es erfahren. Dessen war er sich sicher. „Es ist soweit“, sagte Jenna, „nächste Woche. Am Ersten“. „Okay“, sagte Blake Dooley, „hat ja lange genug gedauert. Ein Wunder, dass wir es bis hierhin geschafft haben“. „Kein Wunder“, widersprach Jenna, „ich habe immer vollstes Vertrauen in Deine Standfestigkeit gehabt“. „Naja“, sagte Blake, „es hätte aber auch ganz anders kommen können. Vor zwei Jahren stand mein kleines Imperium ganz schön auf der Kippe“. „Ich habe davon gehört“, antwortete Jenna, „aber ich habe auch gehört, dass Du seitdem einflussreicher als je zuvor bist“. „Das ist wahr“, stimmte er ihr zu, „nicht zuletzt, weil der gute Igor seit damals auf Staatskosten lebt“. Blake dachte nur ungern an die unruhigen Tage zurück. Der verrückte Russe hatte einen Frontalangriff auf seine Organisation gestartet, und es hatte Tote gegeben. Rigoros hatte der Sausack Blakes Geschäftspartner auf seine Seite gezwungen, wobei er in der Wahl der Mittel nichts ausgelassen hatte. Sogar vor Entführung und Ermordung unschuldiger Angehöriger hatte der Wahnsinnige nicht zurückgeschreckt. Dabei war Igor so brutal vorgegangen, dass unweigerlich die Bullen auf den Plan getreten waren. Wochenlang waren die Geschäfte zum Erliegen gekommen, und Blake Dooley hatte bereits um seine Existenz fürchten müssen. Kurz bevor es zu einem offenen Krieg gekommen war, hatte sich jedoch einer der erpressten Geschäftspartner, in Angst um seine Familie, an einen verschwägerten Polizisten gewandt und ihm seine heimlichen Geschäfte und die damit zusammenhängenden Probleme gestanden. Der wiederrum hatte den entscheidenden Tipp anonym an die zuständige Einheit gegeben, worauf der gierige Russe auch prompt auf ein fingiertes Geschäft eingegangen und in die Falle gelaufen war. Natürlich nicht, ohne ein paar Beamte ins Nirwana zu ballern. Er selbst war dabei schwer verletzt worden. Ein ganzes Jahr lang hatte man Igor wieder zusammenflicken müssen, bevor man ihn vor Gericht stellen und zu lebenslanger Haft verurteilen konnte. Tja, und die musste der blöde Sack jetzt ohne Beine absitzen, denn die hatte man, trotz aller Bemühungen, nicht mehr retten können. Selbst schuld, dachte Blake Dooley, warum konnte der Idiot auch den Hals nicht vollkriegen. Den Geschäftspartner hatte Blake allerdings trotzdem endgültig verloren, denn der hatte sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Das hatte der Schwager zur Bedingung gemacht. „Okay, Jenna“, sagte Blake, „dann werde ich mal ein paar Erkundigungen einholen und die notwendigen Maßnahmen einleiten. Ich hoffe, Du weißt, was Du tust“. „Keine Sorge“, sagte Jenna lächelnd, „ich habe sehr lange auf diesen Tag gewartet. Ich weiß sehr genau, was ich tue. Aber vorher bist Du dran“. „Dann wollen wir die Sache mal angehen“, sagte der Drogenboss und leerte sein Glas, „Paddy, zahlen. Die Dame ist mein Gast“. Jenna blieb noch eine Weile sitzen, nachdem Blake gegangen war. Genüsslich schlürfte sie ihren Cocktail. Bald! Bald würde es soweit sein, und sie konnte auf die Zielgerade einbiegen und ihren dunklen Traum wahrmachen. Ein Schauer der Erregung durchfuhr ihren Körper, aber auch eine fürchterliche Angst. Und diese Mischung war es, die sie seit Jahren fest in ihrem Bann hielt. Die unheilvollste Mischung, die es geben konnte. Und die mit Abstand aufregendste. Aber es gab auch noch eine andere Angst. Eine Angst, die Jennas Seele angriff. Was würde aus Anna werden? Wie sollte sie ihr das Unfassbare erklären? Jenna verdrängte den Gedanken. Er würde sie in ihrem Vorhaben nur behindern. Sie trank aus, sagte Paddy auf Wiedersehen und schlenderte hinüber zu dem Bizarr-Shop. Längst war die Schaufensterpuppe aus dem Laden verschwunden und andere, neue Dinge waren in dem geräumigen Verkaufsraum an ihre Stelle getreten. Die Jahre hatten vieles verändert, und man musste mit der Zeit gehen. Das wusste auch Ivy, die inzwischen ihre Stoppelfrisur durch eine lange schwarzgelockte Mähne mit knallroten Strähnen ersetzt hatte. Nicht ersetzt hatte sie allerdings ihre Vorliebe für aufregende Latex-Outfits. Und so trug sie auch heute wieder einen schwarzen Einteiler mit zu ihren Haaren passenden roten Applikationen. „Jenna“, rief sie erfreut aus, „lass Dich anschauen. Mein Gott, Du bist ja eine richtige Frau geworden. Und schöner denn je. Oh weh, wie lange bist Du nicht mehr hier gewesen?“. Freudig fielen sich die beiden Frauen in die Arme. „Oh, das ist lange her“, lachte Jenna, „zuletzt, als ich die Einrichtung für meine Spielwiese bestellt habe“. „Ach, Du großer Gott“, staunte Ivy, „das ist ja schon gar nicht mehr wahr, so lange ist das her“. „Ja“, sagte Jenna, „und ich habe fast ein schlechtes Gewissen dabei. Wie ist es Dir denn inzwischen ergangen?“. „Du hast großes Glück, dass Du mich überhaupt noch hier antriffst“, sagte Ivy, „nächste Woche wechsele ich in die Zentrale nach Brenton. Ich werde Hauptgeschäftsführerin des gesamten Bezirks“. „Das ist ja wunderbar“, freute sich Jenna mit ihrer sympathischen Freundin, „das freut mich sehr für Dich. Ja, da habe ich wohl wirklich Glück gehabt, Dich noch einmal zu sehen, und das aus purem Zufall“. „Na Gott sei Dank“, sagte Ivy, „was denn für ein Zufall?“. „Ich hatte zufällig ein wichtiges Treffen hier unten am Hafen“, sagte Jenna, „das etwas früher notwendig wurde, als ich ursprünglich gedacht hatte. Sonst wäre ich wohl zu spät gekommen“. „Aha“, sagte Ivy, „schon klar, dass Du mir nicht sagst, um was für ein Treffen sich das handelte. Egal, ich will es gar nicht wissen. Soll ich Dir lieber mal die neue Kollektion zeigen?“. „Das wäre ganz lieb von Dir“, sagte Jenna, „ich könnte noch das ein oder andere Teil gebrauchen. Am besten wäre etwas richtig böses“. „Oh, da habe ich bestimmt ein paar schöne Sachen für Dich“, sagte Ivy enthusiastisch, „etwas richtig dämonisches“. „Dämonisch wäre genau richtig“, sagte Jenna, und ihr Blick verdunkelte sich, „genau so etwas suche ich“. „Na, dann komm mal mit“, sagte Ivy, „ich habe hier ein paar ganz exzellente Exemplare. Die werden Dir gefallen“. Jenna nahm sich zwei volle Stunden Zeit, um mit Ivy in den Outfits und Masken herumzukramen, nur unterbrochen von gelegentlich hereinschauenden Kunden und einigen Telefonaten. Am Ende hatte sie gefunden, was sie suchte, und Ivy packte die Sachen für sie ein. „Hast Du Dein Auto vor der Tür?“, fragte Ivy, „ich habe nämlich noch eine Überraschung für Dich“. „Ja“, sagte Jenna, „es steht drüben vor Paddys Kneipe“. „Dann komm man mal mit nach oben“, grinste Ivy, „ich will Dir etwas zeigen“. Sie nahm Jenna an die Hand und führte sie die Treppe hinauf zu den Möbeln. „Möbel habe ich aber genug“, sagte Jenna. „Keine Möbel“, sagte Ivy mit einem Augenzwinkern, „dahinten, die Tür zum Abstellraum. Da gehen wir hin“. Jenna konnte ihren Augen kaum glauben, als Ivy die Tür öffnete und ihre alte Freundin hineinführte. Da stand sie! In all ihrer Pracht! „Ich habe sie immer sauber gehalten“, sagte Ivy stolz, „und ich habe nichts an ihr verändert. Ich wusste, dass Du eines Tages wieder hier vorbeischauen würdest, und ich habe sie extra für Dich aufbewahrt“. „Das ist unglaublich“, sagte Jenna und zog Ivy an sich, „Du bist ein Schatz, Ivy. Sie ist so schön wie am ersten Tag“. „Nicht wahr?“, sagte Ivy mit feuchten Augen, „und sie gehört Dir. Es ist mein Abschiedsgeschenk an Dich“. „Danke, Ivy“, sagte Jenna glücklich“, „ich werde sie gerne mitnehmen. Sie wird wunderbar in die Spielwiese passen“. Aufgeregt strich Jenna über den glatten Stoff des herrlichen Negligees, über das Höschen, die Strümpfe und die glänzenden Fesseln, und sie musste unwillkürlich an den Tag zurückdenken, als sie die Puppe das erste Mal gesehen hatte. Wie sehr der Anblick sie damals aus der Fassung gebracht hatte. Und auch heute spürte Jenna die Faszination des schönen Bildes, das Miss Divine doch eigentlich längst aus dem Spiegel kennen musste. Und wieder meldete sich das unerträglich schöne Pochen in ihrem Schritt. „Küss mich“, sagte sie zu Ivy, „ich halte es nicht mehr aus. Ich schaffe es nicht bis zuhause“. Ivy schloss die Tür des Abstellraumes und schlang die Arme um die schöne Frau. „Warum nicht?“, flüsterte sie in Jennas Ohr, „das habe ich doch immer schon gewollt“. Eng umschlungen standen sie an der Wand, neben sich die Schaufensterpuppe, und spielten das Spiel, das so alt war wie die Welt, und doch immer wieder neu. Und sie spielten es, bis es gewonnen war, ohne einen Verlierer zu hinterlassen. Es war ihnen völlig egal, dass unten die Kundschaft ein und wieder ausging. Sie hörten nicht das Klingeln der Türglocke und das Rufen nach der Bedienung. Erst als sie die Puppe die Treppe hinabschleppten, bemerkte Ivy, dass sie eine halbe Stunde in der Kammer verbracht hatten. „Na, da werden sich wohl ein paar Kunden gewundert haben“, sagte sie lachend, „hoffentlich ist nichts geklaut worden“. „So, Harry“, sagte der Direktor, der es sich nicht nehmen ließ, seinen Lieblingsgefangenen persönlich zu verabschieden, „ich hoffe sehr, dass wir uns nicht wiedersehen müssen“. „Das hoffe ich auch, Sir“, antwortete Harry, während er das Bündel mit seinen Habseligkeiten an sich nahm. „Mach´s gut, Harry“, sagte der Beamte hinter dem Schalter. „Hau rein, Pete“, grinste Harry. „Was werden Sie jetzt tun?“, fragte der Direktor. „Keine Ahnung“, sagte Harry achselzuckend, „erst mal eine Wohnung suchen, denke ich. Geld habe ich ja noch. Mal sehen, was sich ergibt“. „Hier“, sagte der Direktor und reichte Harry einen Umschlag, „da sind einige Adressen drin, bei denen Sie sich melden können. Wir hatten ja schon darüber gesprochen. Die Leute kümmern sich um entlassene Strafgefangene. Sie sollten sie unbedingt aufsuchen, sie können Ihnen möglicherweise erst einmal weiterhelfen, zumindest bei der Wohnungssuche, und vielleicht haben sie sogar einen Job für Sie. Hören Sie auf meine Worte. Sie brauchen jede Hilfe, die möglich ist“. „Schon verstanden, Sir“, sagte Harry, „aber erst mal steht mir der Sinn nach etwas anderem. Sie wissen nicht zufällig, wo hier das nächste Bordell ist?“. Der Direktor musste laut lachen. „Jaja“, sagte er, „immer dasselbe. Die meisten, die unsere Institution verlassen, haben dieses Bedürfnis. Leider kenne ich selbst kein einziges, aber der Taxifahrer weiß sicher gut Bescheid. Der wird Ihnen wohl helfen können. Viel Spaß, und nicht vergessen: Melden Sie sich bei den Sozialarbeitern. Auf Nimmerwiedersehen, Harry“. „Danke, Sir“, sagte Harry, „ich komme nicht wieder, keine Angst. Sieben Jahre Knast reichen mir. Machen Sie´s gut, und quälen Sie Ihre Kundschaft nicht so“. „Ich werde es mir merken, Harry“, sagte der Direktor und gab das Zeichen zum Öffnen des Tores, als Harry in den Transporter gestiegen war, der ihn zum Außenbereich des Gefängnisses bringen sollte. Zehn Minuten später stand Harry vor dem Zaun der Haftanstalt. Ohne einen Blick zurückzuwerfen ging er zu dem wartenden Taxi. „Ins nächste Bordell“, sagte er zu dem Fahrer. „Alles klar, Mister“, antwortete der, „wie immer also. Zentrale, ich habe hier eine Tour zum Red Roses Club. In zehn Minuten sind Sie da, Mister. Wird mal wieder Zeit, was?“. „So ist es“, sagte Harry, „Geben Sie Gas, bevor ich Ihnen das Taxi versau“. Entspannt lehnte sich Harry Milfort zurück. Endlich wieder in Freiheit, dachte er und freute sich auf seinen ersten Fick nach sieben Jahren. |