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Autor Thema: Jennas Weg, Teil 16  (Gelesen 4147 mal)
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Mandith
Writer und Poster
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Geschlecht: Männlich
Beiträge: 37


Schreiben heißt Bleiben

petersmano
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« am: April 28, 2012, 08:03:01 pm »

Montag, 08. Dezember, 2003, 08.30 Uhr.
Harry Milfort saß in einer Zelle im Keller des Gerichtsgebäudes und beriet sich noch einmal mit seinem Anwalt.
Diesmal war keine lange Fahrt nötig gewesen, um ihn hierher zu bringen. Das Gerichtsgebäude grenzte direkt an das Stadtgefängnis von Newport, und der Trakt mit den Wartezellen war durch eine unterirdische Schleuse mit dem Gefängnis verbunden.
Schon um 08.00 Uhr hatte man ihn hierhergebracht, natürlich wieder an Händen und Füßen gefesselt. Die Fußfesseln trug er auch jetzt noch. Immerhin hatte man ihm die Handschellen abgenommen. Genervt blätterte Harry in der Akte.
„Wenn Sie sich schuldig bekennen, können wir möglicherweise einen Deal mit der Staatsanwältin aushandeln, und es wird gar keinen großen Prozess geben“, versuchte ihm sein Anwalt die Sache schmackhaft zu machen, „dann gibt es auch kein Geschworenenurteil, sondern nur noch einen Termin für die Festsetzung des Strafmaßes“.
„Na, Klasse“, sagte Harry, „und wie wird das aussehen?“.
„Hm“, sagte der Anwalt, „das kommt auf die Staatsanwältin an. Ich werde ihr jedenfalls erst mal fünf Jahre anbieten“.
„Fünf Jahre?“, fragte Harry stocksauer, „sind Sie verrückt? Die blöde Kuh von Staatsanwältin sagte irgendwas von vier Jahren“.
„Bis fünfzehn“, klärte ihn der Anwalt auf, „vier bis fünfzehn Jahre. Vier Jahre sind dabei die Mindeststrafe, die sie absitzen müssen, bevor Sie einen Antrag auf vorzeitige Entlassung stellen können. Schon die Bearbeitung eines solchen Antrags kann einige Zeit in Anspruch nehmen, und in der Bewährungskommission sitzen auch die Angehörigen der Carsons. Die haben ein ganz gewichtiges Wort mitzusprechen. Wenn die nicht zustimmen, geht überhaupt nichts, und dann könnten aus den vier Jahren ganz locker zehn oder noch mehr werden“.
„Pah“, grummelte Harry, „was ist das bloß für  ´ne beschissene Welt. Ich bin doch kein Verbrecher“.
„Immerhin haben Sie zwei Menschen auf dem Gewissen“, sagte sein Anwalt mit vorwurfsvollem Blick.
„Schon klar“, sah Harry ein, „aber schließlich habe ich das ja nicht absichtlich gemacht“.
„Sicher nicht“, stimmte sein Anwalt zu, „aber bei dem ganzen Zeug, das Sie intus hatten, wird von Vorsatz ausgegangen. Keine Chance, auf Fahrlässigkeit zu plädieren“.
„Na schön“, sagte Harry, „rufen Sie die Tussi an. Machen Sie ihr ein Angebot“.
„Sehr vernünftig von Ihnen“, sagte der Anwalt und holte sein Handy hervor, „mal sehen, was sie dazu sagt. Und Harry, halten Sie sich zurück, wenn wir mit ihr sprechen. Machen Sie einen auf netten Menschen. Zeigen Sie Reue und seien Sie lieb und freundlich zu Mrs. Grant“.
„Okay, okay“, sagte Harry genervt, „ich bin die Freundlichkeit in Person“.

09.45 Uhr. Jenna hatte sich unerkannt zwischen die Zuschauer gemischt und einen Platz in der hintersten Reihe ergattert. Wie alle anderen hatte sie sich ausweisen und durchsuchen lassen müssen. Sie wollte aber nicht, dass der Angeklagte sie zu Gesicht bekam, und deshalb hatte sie sich eine schwarzhaarige Perücke aufgesetzt und sich hinter der Tageszeitung verschanzt.
Beruhigendes stand da nicht gerade drin. Natürlich wurde von dem bevorstehenden Prozess berichtet, aber auch das Thema mit der verschwundenen Sekretärin des Bürgermeisters hatte sich in den letzten Wochen ausgeweitet und es auf die Titelseite geschafft. Die gute Frau war immer noch nicht wieder aufgetaucht, und es wurden die wildesten Theorien verbreitet. Von politischem Komplott bis hin zu einem Sexualverbrechen war alles dabei, was die Fantasie in einem solch mysteriösen Fall hergab.
Jenna glaubte zu wissen, was in etwa passiert war, aber sie wusste nicht, warum.
Was hatte die Frau an besagtem Abend am Hafen zu suchen gehabt? Und dann auch noch ganz in Jennas Nähe. War Barbara Meyers ihr etwa gefolgt? Und wenn ja, warum?
Sie musste dringend mal mit Ashton darüber reden. Oder mit Ashley.
Aber jetzt war ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge fokussiert. Sie war neugierig auf den Prozessbeginn. Und vor allem auf Harry Milfort, den sie bisher ja noch nie leibhaftig gesehen hatte.
Vorsichtig sah Jenna sich um. Es waren eine Menge Bekannte unter den Zuschauern. Kollegen, Nachbarn, aber auch viele Leute, die Jenna nicht kannte. Fast wie bei der Beerdigung, dachte sie.
Drei Reihen weiter vorn saß Mira mit Joe. Sie hatten ausgemacht, nicht zusammen zur Verhandlung zu gehen, was nahe lag.
Lucy saß mit einem Anwalt auf einer Extra-Bank der Nebenklage. Mitten im Geschehen.
Und Joe? Ob er wusste, wer der Angeklagte war? Das war unklar. Das war aus den Gesprächen mit Jennas  Mutter und Mira nicht hervorgegangen.
Jenna sah auf die Uhr. Hm, dachte sie, schon 09.00 Uhr durch. So langsam breitete sich ungeduldige Unruhe im Saal aus.

„Fünf Jahre?“, fragte Elizabeth Grant ungläubig, „kommt nicht in Frage. Und wieso kommen Sie mir erst jetzt damit, wo die Verhandlung unmittelbar bevorsteht?“.
„Ich mache Ihnen ein Angebot“, sagte Harrys Anwalt, „der Zeitpunkt tut doch nichts zur Sache“.
„Tut er das nicht?“, ereiferte sich die resolute Staatsanwältin, „ich sage Ihnen, warum Sie erst jetzt damit kommen. Weil Ihr Mandant ein unbelehrbares Subjekt ist, und sich keiner Schuld bewusst. Was haben Sie ihm erzählt, damit er doch noch weich wird, was?“.
„Ich habe gar nichts…“, wollte der Anwalt erwidern, doch Harry fasste ihn am Arm und hielt ihn zurück.
„Lass mal stecken“, sagte er und wandte sich persönlich an Elizabeth Grant.
„Sie haben Recht“, sagte er, „in allen Punkten. Ich bin ein unbelehrbares Arschloch, und ich gebe zu, dass es lange gedauert hat, das einzusehen. Und auch Ihnen gegenüber habe ich mich verhalten wie ein Idiot. Also, warum kommen wir jetzt mit diesem Angebot? Weil ich Angst habe, wegen meiner fatalen Disziplinlosigkeit im Gefängnis zu verschimmeln. Und diese Angst hat mir die Augen geöffnet und mir klargemacht, was für ein schreckliches Desaster ich verursacht habe. Ich habe keinerlei Zweifel mehr an meiner alleinigen Schuld und bin bereit, die Konsequenzen zu tragen. Es tut mir wirklich leid, was passiert ist. Das Einzige, um das ich Sie bitten möchte, ist die Aussicht auf eine Zukunft, zu einem mir bekannten Zeitpunkt. Ich bitte Sie um eine faire Chance. Bitte liefern Sie mich nicht der Rache der Opferfamilie aus, auch wenn ich deren Gefühle durchaus verstehe“.
Elizabeth Grant atmete einmal tief durch.
„Ihre Opfer hatten keine faire Chance“, sagte sie hart, „warum sollte ich Ihnen eine geben?“.
„Ich bin kein Mörder“, sagte Harry mit fester Stimme, „ich habe einen schwerwiegenden Fehler begangen. Einen Fehler, der eine Familie zerstört hat. Das ist schlimm. Ich kann Ihnen keinen Grund für eine Chance nennen, und trotzdem bitte ich Sie darum“.
„Sieben Jahre“, sagte Elizabeth, „keinen Tag weniger. In einem Maximum-Security- Gefängnis“.
Harry sah zu seinem Anwalt. Der nickte ihm zu.
„Okay“, sagte Harry, „wir haben einen Deal“.
„Gut“, sagte Mrs. Grant, „dann wollen wir mal den Richter aufsuchen. Der muss sich einverstanden erklären. Und auch die Nebenklage“.

Endlich tat sich etwas.
„Bitte erheben Sie sich, meine Damen und Herren. Seine Ehren Richter James McKenna“.
McKenna? Sollte hier nicht der ehrenwerte Mr. Drews dem Prozess vorsitzen? Unsicher sah Lucy zum Richtertisch.
„Bitte setzen Sie sich“, sagte Richter McKenna, „das Verfahren gegen Harry Milfort, wegen Herbeiführung eines Unfalls unter Alkohol- und Drogen-Einfluss, sowie des Totschlags in zwei Fällen, wird vertagt. Nächster Punkt: Der Staat gegen…“.

Lucy traute ihren Ohren nicht.
„Kommen Sie“, sagte ihr Anwalt, „mal sehen, was da los ist. Wahrscheinlich gab es eine Vereinbarung“.
„Eine Vereinbarung?“, fragte Lucy ungläubig, „so etwas wie einen Deal? Müssen die nicht unsere Zustimmung haben?“.
„Nicht unbedingt“, sagte er, „das liegt im Ermessen des Richters. Wir können nur eine Empfehlung abgeben“.

Enttäuscht verließ Jenna den Saal, und auch Mira und Joe hatten sich das anders vorgestellt. Sie hatten alle gehofft, dem Lump ins Antlitz sehen zu können. Jenna, um sich ein Bild von dem Mann zu machen, Mira, um letzte Zweifel zu vertreiben, Joe, weil er neugierig auf den Mann war, den seine Mutter offensichtlich abgrundtief hasste. Er hatte keine Ahnung, warum sie das tat. Dass es sich bei Harry Milfort um seinen leiblichen Vater handelte, ahnte Joe da noch nicht.

Eine halbe Stunde später trafen sich die drei in Jennas Elternhaus und warteten ungeduldig auf Lucy. Die würde ihnen sicher sagen können, was passiert war.

Verärgert blickte Ashton Palmer auf die Titelseite des Newport Chronicles. Miss Meyers mysteriöses Verschwinden bestimmte jetzt schon seit Wochen die Schlagzeilen, und auch die Polizei hatte ihn in letzter Zeit kaum zur Ruhe kommen lassen und alles auf den Kopf gestellt. Ständig war er verhört worden. Ein Spezialist hatte seinen und Miss Meyers Computer in Beschlag genommen, und Ashton war nur noch eingeschränkt zum Arbeiten gekommen.
Wenigstens hatte man ihm Mrs. Deavers zur Seite gestellt, eine erfahrene Assistentin mittleren Alters, und auch wenn sie nicht direkt in seinem Büro arbeitete, hatte sie Ashton doch so gut es ging den Rücken freigehalten.
Die Gerüchteküche war am Überkochen, ganz besonders im Rathaus, und das ärgerte Ashton auf verschiedene Weise. Seine Besuche in der Villa würde er wohl erst einmal einstellen müssen, und es plagte ihn die Angst, dass im Zuge der Ermittlungen sein Doppelleben ans Tageslicht gezerrt werden könnte. Die Schlagzeile konnte er sich lebhaft vorstellen.
Aber auch das Getuschel hinter vorgehaltener Hand ging ihm gehörig auf den Sack. Das Gerücht von einem heimlichen Verhältnis machte die Runde. Offenbar war Ashton der Einzige, der nichts von Miss Meyers glühender Verehrung zu ihm gewusst hatte, auch wenn sie sich manchmal übertrieben um ihn gekümmert hatte, und einige der Kolleginnen waren sogar davon überzeugt, dass sich seine Sekretärin aus verschmähter Liebe das Leben genommen hatte und womöglich auf irgendeinem Dachboden hing.
Ashton hoffte inständig, dass der Fall bald aufgeklärt werden würde, denn andererseits, das wusste er ganz genau, würden die Gerüchte nie verstummen. Die hatten nämlich grundsätzlich die unangenehme Eigenschaft, dass man sie nicht entkräften konnte. Nicht mal mit Beweisen.
Eigentlich hatte er heute zur Gerichtsverhandlung gehen wollen, aber das war, angesichts der anhaltenden Aufregung um Miss Meyers, wohl auch keine gute Idee. Mit Miss Carson und ihrem Umfeld wollte er im Moment lieber nicht auch noch in Verbindung gebracht werden, obwohl die doch gar nichts damit zu tun hatte. Das tat ihm richtig weh.
Scheiße, dachte Ashton und warf die Zeitung in den Papierkorb.

Mitten in seine miese Laune platzte plötzlich der Auftritt des Polizeichefs von Newport, der ja eigentlich Ashton unterstellt war.
„Hi, Ashton“, sagte Donald Petersen und zog die Bürotür hinter sich zu, „tut mir leid, dass ich Dir nochmal auf den Geist gehen muss, aber wir müssen jeder Spur nachgehen“.
„Okay“, sagte Ashton nervös, „setz Dich doch. Was ist es denn diesmal?“.
„Kann sein, dass das völlig unwichtig ist und überhaupt nichts zu bedeuten hat…“.
„Ja, und?“.
„…naja, wir haben da was gefunden, womit wir nicht recht was anfangen können“.
„Und was ist das?“.
„Sagt Dir die alte Villa kurz vor Haven etwas?“.

„Es wird keinen Prozess geben“, sagte Lucy und ließ sich aufs Sofa fallen. Verständnislos sahen die anderen sie an.
„Es gab einen Deal“, fuhr sie fort, „und der Richter hat dem zugestimmt“.
„Einen Deal?“, fragte Mira, „und wie sieht der aus?“.
„Gar nicht mal so schlecht“, sagte Lucy, „der Mann bekennt sich schuldig und geht ohne große Verhandlung für die vereinbarte Zeit ins Gefängnis“.
„Ja, und?“, drängte Mira, „wie lange muss er denn nun sitzen?“.
„Sieben Jahre“, sagte Lucy zufrieden, „das ist ein durchaus akzeptables Ergebnis. Bei einer normalen Verurteilung wären es höchstwahrscheinlich vier bis fünfzehn Jahre gewesen“.
Sieben Jahre, dachte Jenna, Scheiße. Sie würde sich in Geduld üben müssen.
„Sieben Jahre?“, entrüstete sich Mira, „und das habt ihr akzeptiert? Das ist doch viel zu wenig“.
„Mehr war nicht drin“, sagte Lucy, „die Staatsanwältin hat uns versichert, dass es das maximal zu erzielende Ergebnis war. Im anderen Fall hätte es leicht sein können, dass der Kerl schon nach fünf oder sechs Jahren wieder auf freien Fuß käme“.
„Oder erst nach zehn oder zwölf“, widersprach Mira, „dafür hättet ihr doch sorgen können“.
„Ganz so einfach ist das nicht“, sagte Lucy und schüttelte den Kopf, „das wäre nur möglich gewesen, wenn ein direktes Familienmitglied, also Jenna, die Nebenklage vertreten hätte“, sie wandte sich an ihre Tochter, „aber aus irgendwelchen Gründen wolltest Du ja nicht. Wie auch immer, die Staatsanwältin hat durchgesetzt, dass Mr. Milfort seine Haftstrafe in der Hochsicherheitsabteilung des Staatsgefängnisses verbüßen muss, unter verschärften Bedingungen, also ohne jegliche Vergünstigungen“.
„Das ist doch auch etwas“, sagte Jenna und schenkte Kaffee ein, „schade, dass ich den Mistkerl nicht zu Gesicht bekommen habe“.
„Oh, das kannst Du nachholen“, sagte Lucy, „Die offizielle Urteilsverkündung ist am Freitag um 09.00 Uhr, und sie ist öffentlich“.
„09.00 Uhr“, seufzte Mira, „Rücksicht auf hart arbeitende Nachtmenschen kennen die wohl nicht“.

Ashton ließ sich den Schock nicht anmerken. Um ihn zu überwinden kramte er sein Taschentuch hervor und schnäuzte sich vernehmlich.
„Entschuldigung“, sagte er, „ein leichter Schnupfen. Meinst Du das gelbe Ding an der Klippe? Klar kenne ich die, ist ja nicht zu übersehen. Was hat die denn mit der Sache zu tun?“.
„Wahrscheinlich gar nichts“, sagte Donald Petersen, „wie Du weißt, haben wir Eure Rechner gecheckt, und da haben wir entdeckt, dass Miss Meyers die Villa auf dem Schirm gehabt haben muss“.
„Ja und?“, fragte Ashton und dachte, was für ein Glück, dass sein Rechner neu war. Der alte war vor drei Monaten abgestürzt und entsorgt worden. Da hätten die Ermittler Einiges finden können. Aber was, zum Geier, hatte Miss Meyers über die Villa gewusst?
„Eigentlich ist das auch nichts Ungewöhnliches“, fuhr Donald fort, „bis wir herausgefunden haben, das dort ein, ähm, gewisses Etablissement betrieben wird“.
„Ein Puff?“, fragte Ashton, scheinbar überrascht, „ist nicht wahr“.
„Doch“, sagte Donald, „und stell Dir vor, das Ding gehört seit Kurzem der jungen Miss Carson, und die findet sich auch auf Miss Meyers Rechner, übrigens auch auf Deinem“.
„Die Villa gehört Miss Carson? Donnerwetter“. Das überraschte Ashton nun wirklich. Das hatte er nicht gewusst.
„Kennst Du die Dame?“, wollte Donald wissen.
„Natürlich kenne ich die“, schwärmte Ashton, „eine selten schöne Frau, das kann ich Dir sagen. Ich habe ihr neulich ein altes Grundstück verkauft. Die ehemalige Gartenparzelle meiner Eltern“.
„Oh“, sagte Donald, „ach so, naja, dann ist das ja auch geklärt. Dann war Deine gute Miss Meyers wohl nur mal ein bisschen neugierig“. Er lachte schelmisch auf. „Ich habe mir fast schon so was gedacht, war wohl etwas eifersüchtig, die Gute“.
Ashton lief rot an. „Was sollen eigentlich immer diese Anspielungen?“, fragte er genervt, „jetzt fängst Du auch schon damit an“.
„Ist ja schon gut“, lachte Mr. Petersen und zwinkerte Ashton zu, „wir Männer sind eben ein bisschen doof in Sachen Weiberverhalten. Wir merken es immer erst als letzte, wenn uns eine Frau umgarnen will“.
„Naja“, sagte Ashton, „das kommt wohl auch immer ein wenig darauf an, wer uns umgarnen will. Bei Miss Meyers hätte es wohl hundert Jahre gebraucht, bis ich darauf angesprungen wäre. Wenn es jemand anders gewesen wäre…“.
„Jetzt sag bloß nicht, Du hast Dich tatsächlich in Jemanden verguckt“, sagte Donald Petersen verschmitzt lächelnd, „alt genug zum Heiraten bist Du ja“.
„Wie das so ist“, sagte Ashton geheimnisvoll, „die, die man gerne hätte, wollen einen leider nicht“.
„Du Ärmster. Darf man fragen, wer diese unvernünftige Frau ist?“.
Ashton lächelte Donald tiefgründig an. „Nein“, sagte er, „darf man nicht“.

„Wunderbar“, sagte Miss Divine, „Du hast offenbar viel geübt. Ich bin sehr zufrieden mit Dir“.
Stolz ging Arnold im roten Salon auf und ab. Er hatte wirklich viel geübt, und das Laufen auf den High-Heels fiel ihm immer leichter. Er hatte sich dunkle Nylons dazu angezogen, und selbstverständlich trug er eines der Wäschesets, die ihm Miss Divine gekauft hatte. Kein männliches Haar störte den Eindruck. In mühevoller, teils schmerzhafter Arbeit hatte er sich sämtlicher Körperbehaarung entledigt, und auch sein Make-Up konnte sich sehenlassen. Seine schlanke, knabenhafte Figur tat ein Übriges dazu, und ein neutraler Beobachter hätte schon sehr genau hinsehen müssen, um zu erkennen, dass hier ein junger Mann über das Parkett stolzierte.
Einzig Arnolds doch etwas schmale Brust trübte das Gesamtbild ein wenig, doch auch da wusste Miss Divine Abhilfe zu schaffen.
„Ich habe Dir heute wieder etwas mitgebracht“, sagte sie und reichte ihm ein kleines Päckchen, „das wird Deine Silhouette verfeinern“.
Aufgeregt packte Arnold das neue Geschenk aus.
„Probiere ihn an“, sagte seine Herrin, als er den ausgestopften BH bewunderte, und Arnold ließ sich nicht zweimal bitten.
Er passte perfekt. Miss Divine hatte das richtige Gespür bewiesen. Der BH zauberte kleine, zu seiner Figur passende Brüste unter sein zartes Hemdchen.
„Sehr schön“, sagte Miss Divine zufrieden, „nicht zu klein und vor allem nicht zu groß. Für den Anfang genau das Richtige. Wenn Du irgendwann soweit bist, können wir es mit Hormonen versuchen, dann wirst Du einen normalen BH tragen können“.
„Danke, Herrin“, sagte Arnold glücklich, „Sie wissen immer genau, was ich brauche“.
„Freut mich, das zu hören“, sagte sie und strich ihm liebevoll durchs kurze Haar, „und darum habe ich Dir noch etwas mitgebracht. Komm her, knie Dich vor den Thron. Näher heran“.
Unverzüglich kam er dem Wunsch der Göttin nach und kniete sich zwischen ihre ausgebreiteten langen Beine. Sie hatte sich heute einen weich fallenden Rock angezogen, den sie nun hoch über ihre Schenkel zurückgeschoben hatte.
Ihr Heiligtum hinter den zarten Dessous war nur eine Handbreit von Arnolds sehnsüchtigen Augen entfernt, als sie ihm die lange blonde Perücke anpasste.
„Perfekt“, befand Miss Divine, „und nun gehen wir hinüber ins Schlafzimmer, und Du darfst Dich im großen Spiegel betrachten. Komm mit“.
Arnolds Aufregung stieg bis an die Grenze des Erträglichen, als seine Herrin ihn an die Hand nahm und in die Privatgemächer führte.
„Wow“, sagte Mistress Mira anerkennend, „wen haben wir denn da?“.
„Darf ich vorstellen“, sagte Miss Divine, „das ist Anna“.
„Hallo, Anna“, sagte Mistress Mira, „wie schön Du bist. Ich muss schon sagen, Deine Herrin weiß, was sie tut. Großartig“.
Anna? Arnold war leicht verwirrt.
„Komm, Anna“, sagte Miss Divine und öffnete die Schlafzimmertür, „schau Dich an“.
„Anna“ konnte nicht glauben, was sie sah. Ein wunderhübsches Mädchen stand dort in dem großen Spiegel und sah sie aus großen, leuchtenden Augen an. Arnold war gänzlich verschwunden. Überwältigt sank das neugeborene Mädchen in die Knie. Den Tränen nahe genoss Anna ihr Spiegelbild.
„Hier, nimm“, sagte Miss Divine und reichte ihr den Schlüssel, „Du darfst Dich streicheln, aber tue es so, wie es ein Mädchen tut. Nicht in die Hand nehmen, nur reiben. Ich werde Dir dabei das weitere Vorgehen erklären“.
Dankbar empfing Anna den Schlüssel aus der Hand ihrer Göttin. Glückstrunken entfernte sie den harten Kunststoff von ihrem nach Befreiung lechzenden Glied und begann sich vor ihrem Spiegelbild zu liebkosen, während Miss Divine sich hinter sie hockte und in ihr Ohr flüsterte:
„Am Montag wirst Du nicht hierherkommen, sondern zu mir nachhause. Du hast in etwa meine Größe und eine ähnliche Figur. Ich werde Dir ein paar Kleider aussuchen, die zu Dir passen…“.
Annas Bewegungen wurden schneller.
„…Du wirst eine wunderbare Dame treffen…“.
Annas Atmung wurde schneller.
„…Sie ist eine exzellente Kunstschmiedin…“.
Annas Sinne drohten zu kollabieren.
„…Sie wird bei Dir Maßnehmen…“.
„Ooohhh“.
„…Der CB 6000 ist auf Dauer nicht bequem genug…“.
„Aaahhh“.
„…Und nicht sicher genug…“.
Anna legte den Kopf in den Nacken. „Oh Gott“.
„…Nun genieße den Höhepunkt…“.
„Oh Gott…Miss Divine…Ich liebe Siiieee!“
„…Es könnte Dein letzter sein“.
„Aaaahhhhhhhh!“
Anna bäumte sich auf, als der Tornado sie erfasste und sie in den Wirbel der höchsten Leidenschaft entführte, ehe er sie mit aller Kraft zurück auf den Boden schleuderte, wo sie zitternd in sich zusammensank und überglücklich liegenblieb.
Zärtlich streichelte ihr die Göttin das falsche Haar.
„Ich liebe Dich auch, meine kleine Sklavin“, sagte Miss Divine, und Anna wusste, dass es die Wahrheit war.
Eine Göttin lügt nicht!

„Der Angeklagte, Mr. Harry Milfort, ist schuldig der Herbeiführung eines Unfalles unter Alkohol-und Drogeneinfluss in einem besonders schweren Fall, in Tateinheit mit zweifachem Totschlag, und wird deshalb zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt, zu verbüßen im Staatsgefängnis von Newport. Eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung ist nicht möglich. Bitte setzen Sie sich“.

Ein Raunen ging durchs Publikum. Das war´s also. Jenna hörte nicht weiter hin, als der ehrenwerte Richter Drews das Urteil begründete. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit dem Verurteilten.
An Händen und Füßen gefesselt hatte man Harry Milfort in den Saal geführt, und als das Urteil gesprochen wurde, hatte es bei Jenna augenblicklich zu kribbeln begonnen.
Sieben Jahre hinter Gittern, wow. Jenna stellte sich vor, man würde ein solches oder ähnliches Urteil über sie selbst sprechen, sie in Ketten abführen und für Jahre in eine enge Zelle sperren. Sie hörte regelrecht das Zuschlagen der schweren Gittertür, und das Kribbeln verwandelte sich in das untrügliche Pochen.
Mein Gott, Du bist ja verrückt, schalt sie sich, doch es fiel ihr schwer, an etwas anderes zu denken.
Es kostete Jenna unendlich viel Mühe, die Haltung zu bewahren und sich wieder auf den Gefangenen zu konzentrieren.
Ein ekliger Kerl, mittelgroß und dicklich. Nicht wirklich fett, aber stark übergewichtig. Aus seinem aufgedunsenen Gesicht mit der Knollennase blickten kleine Schweinsaugen teilnahmslos in den Saal.
Urplötzlich hob er den Kopf und blickte zum Publikum. Jenna bekam eine Gänsehaut, als sich ihre Blicke trafen. Sekundenlang sahen sie sich in die Augen. War das Zufall? Kannte er sie etwa? Nein, das konnte nicht sein. Jenna hatte den Mann noch nie vorher gesehen, aber sie würde sein Gesicht auch nie wieder vergessen, soviel war sicher.
Harry blickte wieder zum Richtertisch und lauschte den Ausführungen des ehrenwerten Mr. Drews.
Einbildung, sagte sich Jenna, er hat Dich nicht erkannt. Wie hätte er auch? Jenna war mehr oder weniger vermummt, mit der dunklen Perücke und der Zeitung vor dem Gesicht. Nur ihre grünen Augen blickten über den Rand des Newport Chronicles, und selbst die waren unter einer dunklen Brille verborgen.

„Für heute ist die Sitzung geschlossen“, hörte sie den Richter sagen, während er mit dem Hammer auf sein Pult schlug.
Harry Milfort wurde wieder gefesselt und von zwei Beamten durch eine Seitentür aus dem Saal geführt.
Jenna erhob sich und schloss sich dem Strom der Zuschauer an, die den Saal nach und nach verließen und nach draußen strebten. Am liebsten wäre sie schnell mal auf der Toilette verschwunden, um sich um das Kribbeln zu kümmern, doch Mira und Joe hatten den Saal bereits vor ihr verlassen und warteten vor dem Gerichtsgebäude auf sie und Lucy. Aber das Kribbeln im Zusammenhang mit dem Urteil gab ihr zu denken. Könnte sie sich wirklich vorstellen…?
Unsinn, dachte sie und gesellte sich zu Mira und Joe. Lucy müsste auch bald kommen, und dann konnte man sich endlich wieder aufs Wesentliche konzentrieren.
Jenna hatte für heute nichts mehr auf dem Zettel und die restliche Arbeit in Lyndons kompetente Hände gelegt, und so beschloss sie, gleich mit zur Villa zu fahren. Der Druck musste weg und das Kribbeln gepflegt werden. Ein paar Stunden gefesselt in der Zelle könnten da Wunder bewirken.

Ashley saß vor dem Schminktisch in ihrem Schlafzimmer. Sie hatte sich, wie fast jeden Abend, fein gemacht und genoss das Frausein.
Doch irgendetwas fehlte ihr, und das schon seit einer ganzen Weile. Sie brauchte dringend mal wieder eine Bestrafung. Die Termine in der Villa hatte Ashley allesamt abgesagt. Zum Glück hatte Mistress Mira vollstes Verständnis für die Situation gehabt und ihr sogar ausdrücklich zu einer Pause geraten.
Doch das Verlangen ließ sich nicht mal so eben abstellen. Und die Sehnsucht nach der wunderbaren Miss Divine schon gar nicht.
Immerhin gab es einen kleinen Silberstreif am Horizont. Donald Petersen hatte dem Bürgermeister eröffnet, dass Miss Meyers wohl nicht mehr auftauchen würde, und die Geschichte daher erst einmal zu den Akten gelegt werden müsse. Natürlich hatte Ashton Palmer vehement protestiert, schließlich handelte es sich bei Miss Meyers um eine langjährige, treue Mitarbeiterin, die ihm im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen war.
Aber Donald hatte sich nicht erweichen lassen. Zum Glück!
Sie hätten noch jede Menge anderer Fälle zu bearbeiten, hatte er gesagt, und er könne nicht ewig seine besten Leute für die Suche nach Miss Meyers abstellen. Die war ja schon seit über einem Monat verschwunden, und in der Regel blieb man das nach einem so langen Zeitraum auch.
Auch die Schlagzeilen waren kleiner geworden und das Thema wieder auf Seite drei gerutscht, als bekannt wurde, dass es weiterhin keine ernsthafte Spur gab und die Ermittlungen eingeschränkt werden würden. Es gab inzwischen andere, wichtigere Themen. Die Welt drehte sich eben unaufhörlich, und was gestern noch wichtig war, war heute nur noch eine Randnotiz und morgen vergessen.
Und das war auch gut so, befand Ashley und schielte sehnsüchtig nach dem Telefon. Am liebsten hätte sie jetzt sofort in der Villa angerufen, doch sie beherrschte sich. Nützt nichts, dachte sie, lieber noch etwas Gras über die Sache wachsen lassen.
Apropos Gras. Das konnte sie jetzt auch gebrauchen, und deshalb zündete sich Ashley erst mal einen anständigen Joint an, bevor sie sich vor den großen Spiegel setzte, um ihre weibliche Seite zu genießen.
Oh Mann, dachte Ashley, wenn das die Bürger von Newport wüssten…

„Es war sehr intensiv“, sagte Jenna, „es war das Unabdingbare, das Definitive, das mich so erregt hat. Genau zu wissen, dass man nichts dagegen tun kann, hoffnungslos gefangen zu sein, ohne Chance, aus eigener Kraft freizukommen. Dein Leben für Jahre, oder sogar für immer fremdbestimmt. Stell Dir das mal vor. Das ist doch der Wahnsinn“.
„Der blanke Wahnsinn“, sagte Mira kopfschüttelnd, „Du solltest Dir solche Fantasien schnellstens wieder aus dem Kopf schlagen, die sind gar nicht gesund. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe diese Fantasien auch gehabt, als ich jung war. Ich habe sogar versucht sie auszuleben, und es ist schieres Glück, dass ich noch auf Erden wandele und nicht schon längst darunterliege“.
„Dann ist es Dein Schicksal gewesen. Es wollte nicht, dass Du stirbst“.
„Hör auf mit diesem Blödsinn“, schimpfte Mira, „bring bloß nicht das Schicksal ins Spiel, dann kannst Du auch gleich mit Gott anfangen. Frei nach dem Motto: Ich nehme heute einfach mal keine Schlüssel mit. Wenn Gott will, dass ich wieder frei komme, wird er mir schon Rettung schicken. Das ist völlig bescheuert und nichts anderes als Selbstmord, und zwar ein langsamer und quälender. Vergiss es. Stell niemals Dein Schicksal auf die Probe, so aufregend die Vorstellung auch sein mag. Das ist allerhöchstens etwas fürs Kopfkino, niemals für die Wirklichkeit“.
„Aber sehr erregendes Kopfkino. Fast schon in 3D“. Jenna musste lachen.
 „Du kannst Dein 3D-Kino ja mal für eine ganze Woche da unten in der Zelle abspielen“, schlug Mira vor, „mal sehen, wie lange Du daran Spaß hast, bis der Film langweilig wird, weil er einfach nicht aufhören will“.
„Das wäre doch mal was“, lachte Jenna, „schade, dass ich dafür keine Zeit habe“.
„Sei froh“, sagte Mira, „das kann böse langwierig sein“.
„Aber für ein paar Stunden hätte ich schon Zeit“, sagte Jenna mit verschmitztem Lächeln.
„Na, dann zieh Dich mal aus“, befahl Mistress Mira, „und zwar sofort. Die Regeln kennst Du ja“.

Ganz ähnliche Regeln galten von nun an auch für Harry Milfort. Regeln, die er nicht aufgestellt hatte. Sein Leben war schon seit einigen Monaten fremdbestimmt und würde es für die nächsten sieben Jahre auch bleiben.
Sieben Jahre! Eine unvorstellbar lange Zeit, wie Harry seit neuestem wusste. Wie oft hatte er über Gerichtsurteile geschimpft. Viel zu wenig, hatte er immer gedacht, wenn mal wieder ein Missetäter verknackt worden war. Die zehn Jahre, abzüglich Bewährung, sitzt der Kerl doch auf einer Backe ab, und danach macht der sich eine schöne Zeit auf den Bermudas oder sonst irgendeinem schönen Ort auf dieser Welt, und verprasst die erbeutete Kohle.
Nun, da dachte er heute anders. Schon die U-Haft in dem beschissenen Hochsicherheitstrakt war ihm schwer auf den Magen geschlagen. Knapp drei Monate hatte die gedauert, und das war Harry schon wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Sieben Jahre!
Die Worte hatten eine völlig neue Bedeutung erhalten. Und Bewährung? Pustekuchen. Vorzeitige Entlassung ist nicht. Das hatte der Richter unmissverständlich klargemacht. Das war ja auch Teil des Deals gewesen.
Deal. Pah! Ein Scheißgeschäft hatte Harry da gemacht, und doch hätte es noch schlimmer kommen können. Wenn das überhaupt noch ging.
Dass das durchaus ging, ahnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Jetzt saß er erst mal in der Hochsicherheitsabteilung des Staatsgefängnisses, in das man ihn sofort nach der Urteilsverkündung gebracht hatte. Zusammen mit Mördern, Totschlägern und Vergewaltigern.
Na dann, Prost Mahlzeit!

Jenna saß inzwischen auch in der Zelle. Im Gegensatz zu Harry Milfort wusste sie aber, dass sie schon bald wieder freigelassen werden würde.
Dafür hatte sie aber üble Schmerzen. Ihr Gesäß brannte wie Feuer. Ihre Herrin hatte nämlich eine neue Variante eingebaut. Jenna hatte sich gänzlich nackt ausziehen müssen, und Mistress Mira hatte sie zunächst wieder in die größere Zelle geführt und Jennas Hände über dem Kopf an die Decke gekettet.
„Heute wirst Du mal etwas Neues kennenlernen“, hatte Mistress Mira gesagt und Jenna einen ordentlichen Knebel angelegt und ihr die Augen verbunden, „Du stehst ja auf Grenzerfahrungen“.
Oh ja, hatte Jenna gedacht, und ihre Lust hatte sich voll freudiger Erwartung ausgebreitet.
Bis der erste Schlag ihren zarten Po getroffen hatte. Nicht zu hart, aber doch hart genug, um deutliche Wirkung zu hinterlassen.
Erschrocken hatte Jenna in den Knebel gebrüllt.
„Na, wie findest Du das?“, hatte Mistress Mira scheinheilig gefragt und erneut zugeschlagen, diesmal schon etwas härter, „das ist ein Gummiknüppel. So etwas wird auch in einem richtigen Gefängnis benutzt, um renitente Gefangene zur Vernunft zu bringen“.
„Umpf“. Jenna waren die ersten Tränen in die Augen geschossen.
„Und zur Vernunft musst auch Du gebracht werden“.
„Mmmpff“. Der dritte Schlag war erneut noch etwas heftiger gewesen. Fast hätten Jenna die Beine versagt gehabt.
„Dein Hirn ist voller verrückter Gedanken und Fantasien“.
Zack! Nummer vier.
„Die werde ich Dir austreiben“.
Der fünfte Schlag hatte Jenna an den Rand der Ohnmacht gebracht, und sie hatte geglaubt, den sechsten nicht mehr bewusst zu überstehen.
Doch sie hatte ihn bewusst überstanden. Alle zehn hatte sie überstanden, und am Ende hatte sie auch die mit jedem Schlag wachsende Lust verspürt, die sich in den rasenden Schmerz gemischt hatte.
Und nun saß sie in der kleinen Zelle, angekettet und gefesselt wie am ersten Tag, und ihr Unterleib brannte vor Schmerz und Begierde.
Und im Gegensatz zu Harry Milfort erwartete sie hoffnungsvoll die baldige Erlösung.
In zweierlei Hinsicht!
Davon konnte Harry nur träumen.
In beiderlei Hinsicht!

Unsicher sah sich Arnold um. Eine piekfeine Gegend war das, in der er hier gelandet war. Jede Menge schmucke Häuser standen hier, die meisten mit gepflegten Vorgärten. So sah es dort, wo er herkam, nicht aus. Das war auch in der Dunkelheit des Dezemberabends deutlich zu erkennen. Und wirklich dunkel war es ja auch gar nicht. Helle Straßenlaternen tauchten das Viertel in warmes Licht.
Arnolds Zuhause war gar nicht besonders weit entfernt, unterschied sich aber extrem von diesem Bezirk. Er war in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen. Sein Vater war Dockarbeiter gewesen und hatte jahrelang Schichten gekloppt, um die kleine Familie zu ernähren und die Miete für das schmucklose Reihenhaus aufbringen zu können. Seine Mutter hatte die Haushaltskasse mit Näharbeiten etwas aufbessern können, so dass sie einigermaßen gut hatten leben können, auch wenn es für so etwas wie Urlaub nie gereicht hatte. Und als sich bei seinem Vater die ersten Rückenprobleme eingestellt hatten, war es richtig eng geworden. Mit Schichtarbeit war es da vorbeigewesen.
Immerhin war er nicht entlassen worden. Er arbeitete nun in einem kleinen Büro der Firma, aber das Wegfallen der Schichtzuschläge hatte ein gewaltiges Loch in die Kasse gerissen, und Arnold hatte neben der Schule noch jobben müssen.
Dabei hatte er die elegante Mrs. Murray kennengelernt, die in einem ähnlich schnieken Viertel wie diesem hier gewohnt und ihn immer wieder für alle möglichen Dienste bestellt hatte.
Mrs. Murray leitete eine kleine Computerfirma, die ihr der viel zu früh verstorbene Mr. Murray hinterlassen hatte. Sie hatte Gefallen an dem Jungen gefunden, und es hatte nicht lange gedauert, da war Arnold fast nur noch für sie beschäftigt gewesen. Möglicherweise hatte sie in Arnold so etwas wie einen Ersatzsohn gesehen, denn ihre kurze Ehe war kinderlos geblieben.
Eines Tages in den Sommerferien war Arnold gerade dabei gewesen, den riesigen Rasen zu mähen, als er unter ihrem Schlafzimmerfenster vorbeikam, das wegen der Hitze weit offen gestanden hatte.
Aus den Augenwinkeln hatte er gesehen, dass sich Mrs. Murray für den Abend umzog, und bei der nächsten Runde hatte er den laufenden Rasenmäher stehenlassen und war vorsichtig zu dem Schlafzimmerfenster geschlichen, um einen genaueren Blick zu riskieren.
Dazu hatte sich Arnold etwas am Fenstersims hochziehen müssen, und tatsächlich, da hatte sie vor dem Spiegel gestanden. In einem zarten, seidigen Unterrock hatte sie da gestanden und war gerade dabei gewesen, sich ihre genauso zarte Bluse zuzuknöpfen.
Plötzlich hatte Arnold etwas gespürt, was er noch nicht gekannt hatte. Sein Penis hatte sich aufgerichtet und war ganz hart geworden, und während er noch über das unbekannte Gefühl staunte, hatte Mrs. Murray ihn auch schon entdeckt.
„Arnold“, hatte Mrs. Murray überrascht ausgerufen, „was machst Du an meinem Fenster?“.
Zu Tode erschrocken hatte er sich fallenlassen und unter das Fenster gekauert, aber natürlich war es zu spät gewesen. Sie hatte ihn erwischt.
„Arnold, Arnold“, hatte sie gesagt und sich aus dem Fenster gelehnt, „Du bist mir ja einer. Was fällt Dir denn ein, in mein Schlafzimmerfenster zu sehen? Steh gefälligst auf, wenn ich mit Dir rede. Was hockst Du da noch rum?“.
Mit hochrotem Kopf war Arnold aufgestanden und hatte verschämt auf den Boden gesehen.
„Ver…Verzeihung, Mrs. Murray“, hatte er gestottert, „Sie…Sie sahen so schön aus, und d…da, da hab ich…“.
„Wirklich?“, hatte Mrs. Murray gefragt, „findest Du mich schön?“.
„Ja, Mrs. Murray“, hatte Arnold gesagt und zu ihr aufgesehen, „Sie sind sehr schön“.
„Das ist ja süß von Dir“, hatte sie zu dem verwunderten Jungen gesagt, „was findest Du denn so schön an mir?“.
„A…Alles“, hatte er stotternd hervorgebracht, „besonders, wo Sie so hübsche Sachen tragen“.
Mrs. Murray hatte mit den Händen über den seidigen Unterrock gestrichen und Arnold dabei ganz merkwürdig angesehen, so dass er beinahe eine Gänsehaut bekommen hatte.
„Ja“, hatte sie gesagt, „die sind wirklich schön, und sie fühlen sich auch sehr schön an. Möchtest Du sie mal anfassen?“.
Nur zu gerne hätte Arnold das damals getan, doch was hatte er stattdessen gemacht? Weggerannt war er. Aufgewühlt von seinen Gefühlen war er davongelaufen. Nicht einmal den Rasenmäher hatte er abgestellt, und sogar sein Fahrrad hatte er stehenlassen. Schnurstracks war er nachhause gelaufen, und das waren immerhin ein paar Meilen gewesen. In seinem winzigen Zimmer hatte er sich dann zum ersten Mal um das neue Gefühl gekümmert, und so hatte seine Leidenschaft begonnen.
Den Job bei Mrs. Murray hatte Arnold verloren geglaubt, doch die Frau hatte seine Eltern angerufen und sie gebeten, den Jungen am nächsten Tag wieder vorbeizuschicken. Er hätte sein Fahrrad vergessen, und auch der Rasen hätte fertiggemäht werden müssen.
Von tausend Ängsten geplagt, war Arnold am nächsten Tag zu ihr gegangen, doch diese waren unbegründet gewesen. Mit keinem Wort hatte Mrs. Murray die Geschichte erwähnt. Supernett war sie gewesen und hatte ihn bis zum Ende seiner Schulzeit weiter beschäftigt.

Und darüber hinaus, denn Arnold arbeitete noch heute für sie. In ihrer inzwischen stark gewachsenen Computerfirma. Mrs. Murray hatte ihm eine Ausbildungsstelle besorgt, und da er sehr talentiert und fleißig war, hatte sie ihn schließlich fest angestellt.
So war Mrs. Murray maßgeblich für seine Entwicklung mitverantwortlich gewesen. In jeder Beziehung. Lange Zeit war sie der Mittelpunkt seiner Träume gewesen.
Und sie war auch heute noch eine tolle Chefin, aber in den Mittelpunkt seiner Träume war jemand anderes getreten. Eine andere, noch viel, viel aufregendere Frau, eine Göttin.
Und nach deren Hausnummer sah er sich nun um. Sie hatte ihn zu sich nachhause bestellt, und so fuhr er mit seinem Kleinwagen aufgeregt durch ihre Straße, bis er die Nummer fand. Fünfunddreißig, da war es.
Ein großes Haus, das etwas abseits der Straße stand. Kein Vorgarten, dafür eine hohe Hecke, in deren Mitte eine Einfahrt in den Hof führte.
Arnold vergewisserte sich noch einmal, dass er auch wirklich richtig war und bog dann in die Hofeinfahrt ein. Es hatte leicht zu schneien begonnen, und die Dächer der beiden Autos, die auf dem Hof standen, waren bereits von einer dünnen weißen Schicht überzogen. Das eine, ein Kleinwagen,  etwas mehr als das größere Fahrzeug mit dem auswärtigen Kennzeichen.
Arnold parkte direkt daneben. Rasch überprüfte er noch einmal sein Make-Up, bevor Anna ausstieg.
Sie hatte sich bereits zuhause in ihrer kleinen Wohnung zurechtgemacht. Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen und war in einem unbeobachteten Moment aus dem Haus geschlichen.
Das würde ihrer Herrin ganz sicher gefallen. Voller Vorfreude betätigte Anna die Haustürklingel.
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